Wie könnte eine Reformagenda aussehen?
Auftrag an alle
Was öffentlich-rechtliche Medien leisten sollen, muss gesellschaftlich verhandelt werden.
Einen möglichst breiten Konsens herzustellen und kontinuierlich zu überprüfen, kann nicht den Sendern, ihren Aufsichtsgremien und der Politik allein überlassen bleiben, sondern ist eine Aufgabe für alle Akteure. Sie erfordert einen institutionellen Rahmen.
Mehr Flexibilität
Über lineare Kanäle hinaus müssen die Sender mehr Möglichkeiten zur Verbreitung online haben, damit alle Beitragszahler*innen zeitlich souverän auf die von ihnen finanzierten Programme zugreifen können.
Ziel sollte eine Digitalstrategie sein, die Abhängigkeiten von globalen kommerziellen Plattformen reduziert und stattdessen auf eigene interaktive, vernetzte Plattformen und europäische Kooperationen setzt.
Klare Kriterien
Im Gegenzug zu dieser Flexibilisierung muss objektiv – qualitativ und quantitativ – messbar sein, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag tatsächlich erfüllen.
Dafür sind sinnvolle, transparente Maßstäbe, Methodik und eine unabhängige Kontrolle der Zielerreichung erforderlich, die über rein prozessorientiertes Qualitätsmanagement hinausgehen.
Gemeinwohlorientierung und Mehrwert für verschiedene Zielgruppen sind dabei als Erfolgskriterien mindestens ebenso entscheidend wie reine Reichweite.
Auf die Wissenschaft hören
Seit Jahrzehnten beschäftigen sich viele Wissenschaftsdisziplinen mit der Rolle und Funktionsweise von öffentlich-rechtlichen Medien. Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen werden erforscht und analysiert, national, europäisch und weltweit.
Alle Entscheidungen müssen auf Grundlage dieser Erkenntnisse getroffen werden – und zwar systematisch, kontinuierlich und mit Blick über den deutschen Tellerrand hinaus.
Mehr Macht den Parlamenten
Faktisch wird die Medienpolitik bislang in den Staatskanzleien gemacht. Eine echte demokratische Gewaltenteilung existiert in diesem so sensiblen Politikfeld fast nicht.
Deshalb müssen künftig die Landtage und die Parlamente der Stadtstaaten eine aktivere Rolle spielen.
Unabhängige Aufsicht
Fernseh- und Rundfunkräte können ihre Aufsichtsfunktion nur erfüllen, wenn sie unabhängig agieren – und zwar unabhängig nicht nur von politischen Akteuren oder Interessengruppen, sondern auch von den Sendern und ihren Intendanzen, die sie kontrollieren sollen. Dafür müssen die Gremien besser fortgebildet und ausgestattet werden, zum Beispiel mit separaten Etats, Personal und Strukturen.
Vielfalt statt Redundanz
Die Binnenkonkurrenz innerhalb der ARD und zwischen ARD und ZDF soll Pluralismus fördern. Die Angebote müssen sich besser ergänzen und bloße Doppelungen vermeiden.
Dadurch freiwerdende Mittel sollen nicht eingespart, sondern sinnvoll reinvestiert werden.
Beispiele könnten sein:
Online-Offensive
Digitale Technologie ermöglicht Angebote, die Dialog und Vielfalt fördern und damit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag dienen. Die heutige Mediennutzung, aber auch gesellschaftliche Trends erfordern entsprechende Formate, die aber nur mit zusätzlichem Aufwand machbar sind.
Schwerpunkt Europa
Europäische Integration funktioniert nur mit journalistischer Kontrolle. Öffentlich-rechtliche Sender sind hier in der Pflicht und das muss explizit zum Programmauftrag gehören. Die entsprechende Verteilung von Ressourcen und inhaltlichen Angeboten sollte der wachsenden Bedeutung und Macht europäischer Instanzen gerecht werden.
Mehr Präsenz in der Fläche
Eine Grundversorgung durch Lokaljournalismus ist in Teilen Deutschlands kaum noch vorhanden. Öffentlich-rechtliche Sender können und sollen das nicht vollständig ersetzen. Trotzdem müssen sie in der Fläche unseres Landes, gerade abseits der Ballungsräume, mehr Präsenz zeigen. Strukturelle Kooperationen mit kommerziellen Lokalmedien sollten, zum Beispiel nach britischem oder norwegischem Vorbild, kein Tabu sein.
Beitragsentwicklung
Wem es um die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien geht, der muss sie für das digitale Zeitalter fit machen und ihnen, auch finanziell, die Möglichkeit geben, sich zu transformieren. Entsprechende Investitionen in die Zukunft können einen finanziellen Mehrbedarf begründen oder durch Einsparungen refinanziert werden. Es gibt keinen Automatismus in die eine oder andere Richtung. Die Abwägung muss immer auftragskonform erfolgen und verhältnismäßig sein.
Vorbild
Öffentlich-rechtliche Sender sollen nicht nur technologisch und kreativ, sondern auch in der Unternehmensführung beispielhaft für den Mediensektor sein. Ihre Gemeinwohlorientierung muss sich auch in modernem Management, flachen Hierarchien, Mitbestimmung, redaktioneller Selbstverantwortung und Diversität in der Führungsriege ausdrücken.
Transparenz
Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen – von der Medienpolitik angefangen über die Aufsichtsgremien und die Geschäftsführungen bis hin zu den Redaktionen – müssen nach innen und außen in größtmöglicher Offenheit ablaufen und besser erklärt werden. Das ist eine Grundvoraussetzung für Akzeptanz und Legitimation gegenüber den Beitragzahler*innen, genauso wie maximale finanzielle Transparenz.
Technologieführerschaft
Wie in analogen Zeiten müssen öffentlich-rechtliche Sender wieder eine führende Rolle bei der Entwicklung, Erprobung und Umsetzung von neuen Formaten, Verfahren und technischen Standards im digitalen Informationsraum anstreben. Das gilt vor allem für gemeinwohlrelevante Themen wie zum Beispiel Personalisierung und Datenschutz.